Tobias Fleischer Interview

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TOBIAS FLEISCHER

INTERVIEW

Portrait / bs Lipslide / fs Bluntslide / Kickflip to 50/50 / Crooked Grind / Varial Heelflip — Fabian Reichenbach

Boardslide Kickflip to fakie — Roland Bürger

bs Tailslide — Hannes Mautner

bs Smithgrind — Florian Hopfensperger

Interview — Stefan Gottwald

Hallo Tobi, eine kurze Vorstellung für die, die dich noch nicht kennen. Hallo zusammen, mein Name ist Tobi Fleischer und derzeit bin ich angestellter Industriemechaniker bei einer Werkzeugmaschinenfabrik in Sauerlach. Ich habe dort bereits meine Ausbildung gemacht und es taugt mir immer noch ganz gut. Nachdem ich schon als kleiner Junge viel mit Lego-Technik gespielt habe, hat mir mein Vater empfohlen, eine Ausbildung im Technikbereich zu machen. So kam ich zu dem Beruf. Meistens haben Eltern ja Ahnung – in meinem Fall stimmt es zumindest, normalerweise ja eher selten (lacht). Der Vorteil an meinem Job ist, dass ich neben meiner 40 Stunden Woche auch noch gut zum Skaten komme. Zusätzlich zum normalen Urlaub kriege ich auch unbezahlten Urlaub. Zusammen mit meinen Überstunden kann ich quasi freinehmen, wie und wann ich Bock dazu habe. Daher ist das richtig locker. Vom Skaten hält mich also maximal das Wetter ab, sonst nichts!

Was stellt ihr in eurem Betrieb denn her? Die Firma stellt als Werkzeugmaschinenfabrik CNC Dreh- und Fräsmaschinen her. Ich arbeite in der Fertigung und Produktion, das heißt Drehen und Fräsen an allen möglichen CNC-Maschinen. Wir sind auch gar nicht so klein, sondern eigentlich ein recht großes Unternehmen. Kunden meiner Firma sind die Automobilindustrie, Medizintechnik-Unternehmen oder allgemein Firmen aus dem Bereich der Metallverarbeitung.

Ich musste das Rail reparieren, sonst hätte ich den Trick nicht machen können

Hast du dein Können auch schon beim Skaten angewendet? Also hast du schon irgendetwas gebaut oder einen Spot verunstaltet? Ja, das habe ich tatsächlich schon einmal gemacht. Da haben sich meine Skills und die Werkzeuge aus der Arbeit ganz gut angeboten. Einmal bin ich am 23er Rail in Feldkirchen mit dem Kink unten dran so hart gebailt, dass die Schweißnaht gerissen ist. Dann ist das Rail etwas rausgestanden und war kaputt. Da dachte ich mir dann: „Scheiße, was mach‘ ich denn jetzt? Wie bekomm‘ ich das wieder hin?“. Ich hatte ja auch kein Schweißgerät oder so etwas in der Art dabei. Dann bin ich in die Arbeit und habe mir einen Akkubohrer zusammen mit einem Metallbohrer, einem Gewindebohrer und einer Schraube ausgeliehen. Zurück am Spot habe ich ein Loch durch das obere Rail gebohrt, ein Gewinde in das Rail darunter geschnitten und das ganze zusammengeschraubt, damit es wenigstens einigermaßen hält. Leider stand die Schraube weiter heraus als ich dachte und mich hat es wieder zerlegt (lacht). Gut, aufgeben war nicht. Deshalb bin ich in den Baumarkt, habe eine Feile gekauft, um die Schraube abzufeilen und dann hat es gepasst. Aber das war dann auch das einzige Mal, bei dem meine Ausbildung für das Skaten hilfreich war. Ich musste das Rail reparieren, sonst hätte ich den Trick nicht machen können (lacht).

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fs Bluntslide

bs Lipslide

Wie gehst du denn eigentlich einen Spot an? Hast du da irgendwelche Rituale? Eigentlich habe ich ja überhaupt keine Probleme, Spots zu skaten. Aber bei 20er oder 25er Stufen ist das schon eine andere Hausnummer. Mich stresst in dem Moment einfach alles. Da reicht zum Teil auch schon, wenn hundert Meter entfernt irgendein Geräusch ist. Es kann auch sein, dass ich da erst einmal eine Stunde oder zwei rumstehe, gar nichts mache und immer wieder hin und her fahre, blöd schaue und dabei immer wieder auf das Ding zufahre. Einfach, um sicher zu gehen, dass ja kein Kiesel oder irgendein Scheiß im Weg liegt. Im Endeffekt weiß ich aber, dass ich es kann. Das erste Mal ist eigentlich immer das schlimmste. Ich hatte das zum Beispiel bei einem 16er in Passau. Da bin ich, glaube ich, ungefähr vier mal hingefahren. Das erste Mal war es zu dunkel – da bin ich einfach empfindlich. Es reicht schon, wenn es nur ein bisschen dämmert. Beim nächsten Mal habe ich den Spot dann gar nicht gefühlt und bin nur ein bisschen rumgeskatet, hatte es aber einfach nicht im Fuß. Beim dritten Mal ging es dann. Da bin ich zwei- oder dreimal runter, das war aber auch irgendwie nicht der Hit. Keine Ahnung, ob es zu kalt war oder was da los war. Beim vierten Mal bin ich hin und habe es dann auf den zweiten Versuch gemacht. Ich weiß, dass ich es kann, manchmal dauert es halt nur etwas länger. Das ist sicher auch der Grund, weshalb ich mich noch nie richtig verletzt habe. Hoffentlich bleibt das auch so! Rituale habe ich aber keine. Die Devise lautet immer: Einfach drauf! Letztens waren wir an 15er Stufen zum Skaten. An dem Spot befand sich unten ein Edeka, vor dem Leute standen. Normalerweise stört mich so etwas richtig brutal. Es könnte dir ja immer einer in den Weg laufen. Dieses Mal war es aber voll ok. Ein Verkäufer stand vor der Tür und anstatt uns zu kicken, meinte er bloß: „Ich hätt’ mir das jetzt gerne angeschaut, aber ich muss wieder arbeiten. Wenn ihr fertig seid, kannst du mir ja das Video zeigen!“. Das war natürlich überhaupt kein Problem und die Reaktion fand ich richtig cool. Ein anderer Typ stand auch da und schaute zu. Den habe ich dann gefragt, ob er denn etwas zu tun hätte. Als er verneinte, meinte ich zu ihm, dass er doch bitte zur Straße gehen und darauf achten solle, dass mein Board nicht drauffliegt. Das hat er dann auch gemacht. Wenn Leute so entspannt sind, ist das richtig lässig.

Wenn du dann weißt, dass du es kannst, ist das irgendwie entspannt.

Wir waren ja gerade bei den großen Spots. Die meisten würden dich ja so einschätzen, dass du dich gerne irgendwo runterwirfst. Hattest du da schon immer Spaß dran oder wie kam es, dass du solche Dinger fährst? Da muss ich an das Interview in der letzten Irregular-Ausgabe denken, für das ihr mit Chris Pfanner gesprochen hattet. Er meinte darin, dass man an großen Spots seine Ruhe hat. Da muss man sich keine Gedanken machen, wer da schon welchen Trick gemacht hat. Du gehst einfach zu so einem Ding und schaust es dir an. Dabei spielt natürlich auch der Nervenkitzel eine große Rolle, weil das bisher noch kein anderer gemacht hat. Wenn du dann weißt, dass du es kannst, ist das irgendwie entspannt. Ich habe früher aber auch viel an den Rails in der Titus-Halle trainiert. Das einzig Geile dort war das Handrail. Das konntest du in drei Stufen verstellen und daran hab ich dann „trainiert“. So wie andere spezielle Tricks safe können, mache ich meine Handrails. Ich hoffe, dass mir das noch lange bleibt. Stufen Springen ist wieder etwas anderes. Das geht brutal auf die Knochen. Mein Ruf hat aber sicherlich auch etwas mit den Zero-Videos zu tun (lacht). Da habe ich gesehen, wie geil das ist und dachte mir: „Das möchte ich auch irgendwann einmal können!“. Jetzt kann ich es einigermaßen und bin damit ganz glücklich (lacht). Es gibt sicher einige, die sich nur nicht trauen, obwohl sie es eigentlich locker könnten. Jeder weiß, dass man sich an einem Rail böser verletzten kann als woanders.

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Kickflip 50/50

bs Tailslide

Du bist ja auch Teil einer Münchner Crew. Wie kamt ihr auf den fantastischen Namen Hoansoan? Keine Ahnung, ich glaube, das ist so vor fünf oder sechs Jahren gewesen, als wir alle Haftbefehl ganz lustig fanden. Irgendwann ist im Internet ein Video aufgetaucht – die „Haftbefehl Hurensohn Compilation“. Er hat den Ausdruck immer so lustig in dem Video betont, dass sich jeder von uns vor Lachen weggeworfen hat. Eddie Rittinger meinte irgendwann, dass wir daraus etwas machen müssten. Anstatt dieser Berrics Bangin’ Clips, haben wir dann diese München Hoansoan Clips rausgebracht. Irgendwie fanden wir das ganz lustig, diese kurzen Videos zu machen. Jeder von uns hatte noch Footage übrig oder wollte irgendetwas damit machen, aber keiner konnte beziehungsweise wollte es alleine rauszuhauen. Wir sind nämlich alle Fans von klassischen Full-Length Videos. Eddie hat durch sein Studium das Handwerkszeug dazu, solche Dinger zu machen und das tat er dann auch. So ist es zu den Clips und Full-Lengths gekommen. Uns hat das Business immer mal wieder etwas genervt und daher wollten wir einfach selbst etwas machen. Jeder filmt jeden und du hast keinen Stress. So macht das einfach Bock.

Wie harmoniert eigentlich eure Crew so? Das ist eine gute Frage! Mir wurde das einmal psychologisch erklärt. Wie es aber genau war, weiß ich leider nicht mehr. Ich glaube, bei uns ist jeder für sich ein ganz schöner Wichser! Zusammen sind wir aber irgendwie cool. Eigentlich ist jeder einzelne ein Penner und kümmert sich im Grunde nur um sich, aber wir haben uns beim Saufen irgendwie gefunden (lacht). Wir verstehen uns, glaube ich, nur so gut, weil wir eigentlich alle scheiße sind (lacht).

Was hat sich für dich am Skateboarden geändert, dass es solche Sachen überhaupt wieder braucht: Weg vom Business, raus auf die Straße? Früher nach der Schule bin ich immer fünf, sechs, manchmal sieben Stunden am Skaten gewesen. Das hat mit den Kumpels immer Bock gemacht. Sobald du es aber mit Sponsoren zu tun bekommst, rutscht das Ganze auf eine andere Ebene. Du stehst auf einmal unter Druck und denkst dir: „Wieso soll ich das denn jetzt machen, wenn da keine Kamera dabei ist?“. Früher habe ich das alles nur für mich gemacht. Wenn ich einen harten Trick an einem harten Spot gemacht habe, war ich stolz auf mich. Das ist leider im Laufe der Jahre etwas in Vergessenheit geraten. Durch das ganze Hoansoan Zeug lebt das wieder ein bisschen in mir auf. Da ist zwar auch jemand dabei, der mit der Kamera draufhält, aber ich mache das für mich und weil ich Bock drauf hab. Der Spaß an der Sache wird plötzlich wieder großgeschrieben. Für die Sponsoren muss man sich immer überlegen, wer an welchem Spot was gemacht hat. Mittlerweile ist mir das aber scheiß egal. Wenn ich einen Trick machen möchte, den ich cool finde, dann mache ich den auch. Ich bin mir sicher, dass in meinem Hoansoan Part ein paar Moves dabei sind, die an den Spots schon mal jemand gemacht hat. Mir ist das aber einfach wurst! Außer es geht um einen Clip für die Sponsoren. Da möchte ich dann schon auch Tricks machen, die noch keiner gemacht hat.

Wenn ich den Trick eigentlich kann, aber er einfach nicht funktioniert, lasse ich es

VX oder HD in Videos? Das ist mir, um ehrlich zu sein, auch ziemlich egal. Wichtig ist, dass man erkennen kann, was es für ein Trick ist und ob er hart war. Wie er gefilmt wurde, ist mir egal. Ob Handykamera, VX oder HD, wir verwursten sowieso alles. Da finden sich dann, zum Beispiel, auf einmal Hochformat-Handyaufnahmen in Cinema-Scope. Wichtig ist, den Trick zu sehen. Klar ist es schöner, mit Matthias Reich unterwegs zu sein und dann geile Aufnahmen zu haben. Das ist Kino-reif. Aber andere Formate gehen auch. Ich lege darauf nicht so viel Wert. Meistens sehen die Spots in echt eh ganz anders aus.

Heißt das jetzt, dass es von dir fürs Erste nur noch Hoansoan Parts zu sehen gibt oder hast du sonst noch Projekte am Laufen? Das ist so eine Nebensache, die wir rein aus Spaß an der Sache machen. Natürlich möchte ich trotzdem, dass da gute Sachen zu sehen sind. Momentan habe ich zwar nichts anderes anstehen, was Videoparts angeht, aber da kommt sicher noch was in diesem Jahr, zum Beispiel mit Blue Tomato. Aber so richtige Full-Part Geschichten werden fürs Erste die Hoansoan-Clips bleiben, außer es ergibt sich etwas Neues. Da kann ich machen, was ich will und keiner redet mir dazwischen.

Du liebst ja deine Freiheiten, speziell beim Skaten. Woher kommt das? Hast du da schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht? Man vergisst einfach, sich selbst treu zu bleiben. Wenn man an anderen Projekten mitwirkt, hört man oft so Sachen wie: „Mach doch einen anderen Trick, der sieht nicht cool im Video aus.“ Oder die Leute wollen Footage, sind aber dann mit dem Filming oder der Tonqualität nicht zufrieden. Mich hat so etwas noch nie wirklich interessiert.

Du warst ja eine Zeit lang richtig präsent in der Münchner Szene, danach flachte das ab und kam immer wieder mal. Wieso? Ich arbeite 40 Stunden die Woche. Da muss man sich auch erst einmal die Zeit nehmen. Außerdem muss man immer schauen, dass das Wetter passt, um etwas zu filmen oder so. Besonders viele Touren gibt es außerdem auch nicht mehr oder ich werde schlichtweg nicht mehr mitgenommen. Du kannst leider keine neuen Dinger bringen, wenn du immer nur an denselben Spots hängst. Klar, könnte ich wegfahren. Aber ich möchte auch nicht meine gesamte Kohle nur für Skatetrips ausgeben, obwohl es natürlich immer eine coole Zeit ist. Ich bin auch keiner mehr, der Bock auf low-budget und mehrere Nächte dicht auf hartem Boden Pennen hat. Das merke ich dann schon im Rücken. Du brauchst außerdem noch Fotografen und Filmer, die Zeit haben. Das alles hat aber nichts damit zu tun, dass ich weniger Bock habe, zu Skaten. Es liegt eher an den allgemeinen Umständen. Einfach ausgedrückt: Wenn ich mehr auf Touren mitgenommen werde, kommt logischer Weise auch mehr geile Footage dabei rum.

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Big Spin Boardslide

Varial Heelflip

Du kommst ja aus dem Münchner Umland. Was waren eigentlich deine Beweggründe zu skaten? Als ich so um die 10 Jahre alt war, hat der Nachbarsjunge von seinem Vater so ein billiges Baumarkt-Deck bekommen. Für uns war es das Größte, auf den Knien damit rumzufahren. Irgendwann wollten wir auch mal ausprobieren, ob wir uns auch draufstellen können. Nachdem dann immer mehr Leute im Ort mit Brettern unterwegs waren, wurde das zusätzlich interessant, zumal die dann alle auch schon Boards mit richtigem Shape hatten. Natürlich wollten wir dann auch so eins. Irgendwann zeigte uns jemand, dass man mit den Skateboards auch Tricks machen kann. Damals sind wir nur damit durch die Gegend gerollt. Ich wusste die ersten ein bis zwei Jahre noch nicht einmal, dass es so etwas wie einen Skatepark gibt (lacht). Als wir die dann entdeckten, wurde das natürlich nochmal viel ernster. In Verbindung mit den damals ganz neuen Tony Hawk Spielen, checkte man erst, was man alles mit diesen Brettern anstellen kann. Ich hatte davor auch ganz normale Hobbys, war im Schwimmverein und habe Taekwondo gemacht. Inline-Skaten war mir irgendwann zu einfach, BMX Fahren fand ich doof, Skaten war mir am sympathischsten und deshalb bin ich dabei geblieben. Gleichzeitig habe ich damals mit allem anderen aufgehört (lacht). Meine Eltern fanden das nicht ganz so cool, aber zeigten trotzdem Verständnis.

Wie haben deine Eltern darauf reagiert, als du nur noch Skaten wolltest? Mein Vater ist Rennradfahrer und sogar dreifacher Weltmeister. Ihm war das eigentlich ziemlich egal. Hauptsache, ich bewege mich und bin draußen. Eine Sache sagte er aber immer zu mir: „werd‘ mir bloß kein Stubenhocker!“. Playstation Spielen fand er total scheiße. Ihm war immer lieber, dass ich mit dem Brett draußen war und irgendetwas gemacht habe. Anfangs ging es ihm zwar ein bisschen auf die Nerven, weil Skaten ja dann doch nicht ganz so billig ist, aber eigentlich hat er mich immer unterstützt. Ich kann mich also überhaupt nicht beschweren.

Lustige Frage zwischendrin: Viele Decks hast du schon beim Skaten gecrackt und wie viele nur durch Wut? Ist das etwa eine Anspielung auf meinen Videopart (lacht)? Also früher war ich definitiv schlimmer. Mit 16 Jahren bin ich zu Titus ins Shop-Team in München gekommen. Damals ist von einem Tag auf den anderen ein Traum in Erfüllung gegangen: Endlich Bretter umsonst! Davor musste ich immer aufpassen, dass die Boards nicht allzu schnell kaputtgingen. Zwar hat mich mein Vater finanziert, aber ihm wurde das auf Dauer auch zu viel. Bei Titus hatten wir einen komplett entspannten Shop Manager. Wir durften bei ihm ungefähr alles machen. Wirklich alles! Du hast dir einfach ein Board genommen, bist fünf Minuten in der Halle gefahren und konntest sagen, dass dir das Board nicht gefällt. Dann durftest du dir ein anderes nehmen (lacht). Überhaupt kein Stress! Zu der Zeit habe ich teilweise vier Boards im Monat verbraucht. Dabei hat man dann natürlich irgendwann den Bezug dazu verloren, was der Scheiß eigentlich kostet. Deshalb habe ich auch Bretter einfach durchgetreten, als ich sauer war. Ich musste sie ja nicht zahlen. Natürlich ging das auf Dauer nicht und mit der Zeit wurde ich auch ruhiger. Manchmal überkommt es mich aber immer noch. Wenn du dir für irgendetwas den Arsch aufreißt oder du weißt, dass du es kannst und es klappt ums Verrecken nicht, dann musst du das Brett halt einfach mal „zusammenhauen“. Das befreit (lacht). Aber um nochmal auf deine Frage zurückzukommen: Es sind bedeutend mehr Decks bei Tricks zu Bruch gegangen, als durch meine Wutausbrüche. Mittlerweile trete ich nur noch in die Bretter, wenn sie eh schon angebrochen sind und es nicht mehr lange mitmachen. In Regensburg brauchte ich für meinen Videopart nur zwei Anläufe, bis ich den Trick gestanden habe. Davor habe ich allerdings drei Boards zerbrochen – mein Board, mein Ersatzboard und das von Peter oder Marcus (Eich A.d.R.). Schließlich nahm ich das Board von Roland und damit habe ich den Trick dann geschafft. Drei Boards bei einem Kickflip-Frontboard?! Das kann schon auch mal passieren!

Wenn du dir für irgendetwas den Arsch aufreißt oder du weißt, dass du es kannst und es klappt ums Verrecken nicht, dann musst du das Brett halt einfach mal zusammenhauen

Bist du so ehrgeizig, dass du einen Trick so lange versuchst, bis er klappt? Nein, überhaupt nicht! Wenn ich den Trick nicht in maximal zehn Versuchen gestanden habe, probiere ich einen anderen oder ich scheiße drauf und lasse es. Wenn ich den Trick eigentlich kann, aber er einfach nicht funktioniert, lasse ich es. Wenn ich im Skatepark an einem Rail zweimal scheitere, dann fuckt mich das schon ab (lacht).

Bist du leicht zu reizen? Naja, ich mache das Ganze jetzt schon seit 15 Jahren. Ich weiß, ob etwas klappen kann oder nicht und merke recht schnell, wann ich für diesen Tag keine Chance mehr habe, den Trick zu stehen. Dann gebe ich lieber auf, bevor ich mich verletze. Die Eichs machen das anders. Sie probieren so lange an einem Spot herum, bis sich einer das Bein bricht. Ich glaube auch, dass mich das davor bewahrt, mich richtig zu verletzen. Das ist es mir nicht wert. Ich werde kein Pro mehr, der sich durch Skaten seinen Lebensunterhalt finanziert, also warum soll ich mich umbringen?

Du meintest, dass du jetzt schon seit 15 Jahren am Skaten bist. Was hat sich über die Jahre verändert? Wir befinden uns in einem ständigen Wandel. Die Tricks werden immer geisteskranker. Leute, von denen du noch nie etwas gehört hast, machen auf Instagram Tricks, die nicht mehr normal sind. Dafür wärst du früher ausgelacht worden, weil sich jeder gedacht hätte, dass du ihn verarschen willst, wenn du sagst, du probierst das. Insgesamt gibt es in meinen Augen aber zwei Lager: Auf der einen Seite sind die krassen Mosher-Boys, bei denen du dir denkst, dass das jetzt gerade nicht sein kann, was für Tricks die machen. Auf der anderen Seite gibt es Boys, die Tricks machen, die ich nicht cool, sondern eher langweilig finde. Mich nervt einfach dieses „Rumgecruise“ und dieses „Rumgestyle“. Das hat ein bisschen was mit Posen zu tun und das gefällt mir nicht. Nyjah’s Style finde ich ganz cool, weil er die härtesten Sachen macht. Das Ganze sieht aber kontrolliert aus, ohne dabei zu lässig zu wirken. Man sieht einfach seine Entschlossenheit. Ich habe selber die Erfahrung gemacht. Wenn du etwas besonders stylisch machen willst, tust du dir am meisten weh. Das liegt oft an der fehlenden Körperspannung. Mir ist es lieber, wenn ein Trick zum Schluss etwas sketchy ist, ich aber sehe, dass derjenige sich angestrengt hat.

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bs Smith Grind

Glaubst du, dass es für Leute mittlerweile einfacher ist, Pro zu werden? Instagram bietet da ja mittlerweile viele Möglichkeiten. Sicherlich! Ich habe damals noch ein Sponsor-me-Tape im Internet hochgeladen und davor noch nicht mal wirklich Kontakte gesucht. Dann wurde ich irgendwann einmal angeschrieben, ob ich denn nicht Fotos machen wolle, nachdem jemand mein Tape gesehen hatte. Kurz darauf hat es sich irgendwie ergeben, dass ich zu Vans gekommen bin. Mit Instagram ist das eine ganz andere Nummer geworden. Da kann jeder auf deine Sache zugreifen und die ganze Welt sieht das sofort. Garantiert ist es leichter geworden, auf sich aufmerksam zu machen. Ich habe selbst schon seit Monaten nichts mehr gepostet, was aber bedeutet, dass dir die Follower weglaufen. Irgendwie ist das nicht meine Welt!

Wenn man Ausgabe 300 der Monster aufschlägt, sieht man dich auf einer Doppelseiteein 33er Rail machen. Wie kam es zu diesem Monster-Ding und was für eine Story steckt dahinter? Die Leute von der Monster kamen damals auf mich zu und meinten, dass sie die „Banger Bus Tour“ starten und deutschlandweit Spots abfahren würden. Vor allem sollte es zu krassen Spots gehen, an denen schon viel passiert ist. Dort wollten sie auf NBD-Jagd gehen. Ich war damals nicht die gesamte Tour dabei, da ich davor in Italien auf einem Vans Miniramp-Contest war. Deshalb bin ich zwei oder drei Tage zu spät zur Monster-Tour gekommen. Wie das genau abgelaufen ist, weiß ich aber auch nicht mehr. Auf jeden Fall sind wir mit dem Bus in Richtung Norden unterwegs gewesen. Der Fahrer meinte dann, dass die Tour auch über Bremen gehen könnte, wo ich mir das 33er Rail anschauen könnte, wenn ich Bock hätte. Da Spots Anschauen, eine Rauchen und dann wieder Fahren zu meinen Lieblingsbeschäftigungen zählt, war ich darauf richtig heiß (lacht). Als wir ankamen, dachte ich mir: „Wow, das ist aber ganz schön niedrig!“. Dann haben wir erstmal Platten aufgebaut. Links daneben ist Wiese und die Mauer kommt erst ganz weit unten. Was sollte da schon passieren?! „Scheiß drauf, bis zu der Mauer komm‘ ich eh nicht!“, dachte ich mir. Ich bin ein paarmal angefahren und reingesprungen. Mit dem Make habe ich gar nicht so gerechnet (lacht). Ich hatte mittendrin einen leichten Hänger und habe meinen Arm ganz komisch verdreht, wusste aber, dass es ab dem Moment kein Zurück mehr gab. Ja, und dann hat das auch noch geklappt. Bevor ich überhaupt von meinem Board gestiegen war, ist, glaube ich, Thomas Weber schon auf mich zugekommen und hat mir einen Joint ins Gesicht gehalten – alle haben gefeiert. Das war total krass, ein absolut unwirkliches Gefühl. Ich hatte sogar davor noch Griptape auf mein Board gemacht, damit ich nicht zu schnell werde. Danach ist mir aufgefallen, dass ich meine Skateschuhe überhaupt nicht anhatte, sondern nur ganz dünne Vans Eras, die außerdem nagelneu waren. Meine Skateschuhe lagen noch immer im Kofferraum (lacht). Das war dann auch der einzige Trick, den ich auf der Monster-Tour gemacht habe, aber der hat ja gereicht.

Hast du alle Magazine, in denen du warst, aufgehoben oder hängt manches vielleicht sogar an der Wand? Klar, ich habe eine Sammlung. Jedes Mal, wenn ich wusste, dass ich irgendwo drin bin, habe ich mir das Heft natürlich gekauft. Meine Mutter wollte auch immer, dass ich gleich zwei mehr mitnehme. Sie hat das ein bisschen archiviert. Alles, was von mir abgedruckt wurde, hat sie aufgehoben. Das ist mittlerweile schon ein recht großer Stapel. Ich selbst habe mich aber nie so wirklich darum gekümmert. Oft habe ich auch gar nicht mitbekommen, dass ich in irgendeinem Magazin war. Das fand ich dann zwar nicht ganz so cool, aber was soll’s. Was Videos angeht, habe ich alles auf einer Festplatte gesichert. Zum Teil auch noch Clips von vor 10, 12 oder 13 Jahren. Es ist immer wieder ganz witzig, sich das anzusehen.

Boardslide Kickflip to fakie

Nach 15 Jahren auf dem Brett ist es, glaube ich, jedem bewusst, dass es nicht immer so weitergehen kann. Wirst du dem Skateboarden immer verbunden bleiben und vor allem wie? Als das mit den ersten Sponsoren anfing, dachte ich mir schon, dass es cool wäre, meinen Lebensunterhalt damit zu finanzieren. Die Einsicht kam aber recht schnell, dass das wahrscheinlich nicht klappen würde. Daher habe ich mit meiner Ausbildung angefangen. Auch der Schritt nach Amerika war in meinem Kopf. Ich war bereits zweimal dort, um Verwandte zu besuchen. Dabei kam ich an Skateparks auch mit Locals ins Gespräch. Klar bekommt man Lust darauf, sich das einmal anzusehen. Mein Cousin kannte beispielsweise Ben Raybourn. Den Typ kannte zu der Zeit noch niemand. Er wohnte ein bisschen außerhalb von Houston und bei ihm sind wir dann abgehangen. Damals ist er noch für Adio gefahren und hat ein bisschen von deren Touren erzählt. Letzten Endes bin ich aber doch ein Mensch, der es gerne sicher hat und bin daher hier geblieben. Ob ich ewig mit dem Business zu tun haben werde? Nein, danke (lacht)! Ich bin in meiner Branche gut aufgehoben und skate zum Spaß. Auf Teammanager oder so hätte ich keine Lust.

Wir sind am Ende des Interviews angekommen. Wie das bei uns immer so ist: Lass raus, was du möchtest! Oder willst du Nachwuchs-Skatern noch etwas sagen? Vergesst niemals den Spaß an der Sache! Macht euer eigenes Ding und lasst euch nicht ans Bein pissen! Scheiß egal, ob das anderen Leuten taugt oder nicht, man darf nie vergessen, warum man überhaupt angefangen hat, zu skaten. Danke an meine Sponsoren: Blue Tomato, Vans, Toy Machine, Theeve und Muckefuck.

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