Bartosz Ciesielski Interview

BARTOSZ CIESIELSKI

„ES GEHT JA UM

DAS GEFLASHT SEIN

UND DAS IST

NOCH LANGE NICHT

VORBEI“

INTERVIEW

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BARTOSZ CIESIELSKI

INTERVIEW

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„ES GEHT JA UM

DAS GEFLASHT SEIN

UND DAS IST

NOCH LANGE NICHT

VORBEI“

Bartosz - Bs Smith

BS SMITH GRIND

„Miau“. Das war das Erste, das zu hören war, als Robert Christ und Martin Schiffl den Freedom-Gründer Bartosz für uns anriefen. Zu Beginn des Interviews sprachen sie 15 Minuten lang über eine Katzen-CD, die oft und exzessiv mit dem Team im Headquarter gefeiert wird. (Das wollen wir euch aber nicht zumuten.) Im Interview erzählt er uns, wie es sich in seinem Label-Headquarter lebt, dass das neue Freedom-Video „Psychedelic Penetration“ auf dem Weg ist und welche Rituale für ihn sein müssen, bevor er sich einen Spot runterschmeißt. Ach ja, auch ohne Katzen-CD tönt aus Bartosz’ Bude hin und wieder ein Miau. Das sind dann aber seine beiden echten Katzen.

Interview: Robert Christ & Martin Schiffl
Fotos: Robert Christ

„ES GAB DIE ÜBLICHEN HOCHS UND TIEFS IN DENEN ES DER COMPANY RICHTIG GUT GING, ABER AUCH MAL GANZ, GANZ SCHLECHT GING.“

Robert: Hey Bartosz . Wo bist du gerade ?

B: Ich bin gerade in Köln. Ich hab‘ ja zwei Zuhause: Ich bin eigentlich eher der Kleinstad-Typ und mag mein Iserlohn-Zuhause, aber meine Freundin wohnt in Köln.

Robert: Deine Wohnung ist ja gleichzeitig auch das Freedom Headquarter, oder? Wie sieht es da so aus?

B: Also, es gibt einen geschäftlichen Teil mit einem klassischen Büro. Da gibt es Schreibtische, PC-Arbeitsplätze und Platz zum Lagern. Ok, ab und zu pennen auch mal Teamfahrer im Büro, wenn es sonst eng wird. Deswegen kann man die Wohnung schon Headquarter nennen. So fühlt es sich dort auch manchmal an. Das Witzige daran ist, dass es eine ganz normale Privatwohnung ist, wenn die Teamfahrer nicht da sind. Mich stört das aber auch nicht. Bei der Company geht es um Leute, die gemeinsam ein Ziel verfolgen, die ähnlich ticken und sich vor allem auch gut verstehen. Wir sind sozusagen eine kleine Familie, was für ein gutes Team wichtig und sehr viel wert ist.

Robert: Kannst du trotzdem gut abschalten zuhause oder bist du immer irgendwie im Arbeitsmodus?

B: Das ist eine interessante Frage. Ich habe ja Englisch und Sport auf Lehramt studiert, das Studium aber sehr schnell abgebrochen. Egal was ich mache, es muss irgendwas mit Skaten zu tun haben, dachte ich damals. Und so kam ich zu Freedom. Daher kenne ich nur mein eigenes Büro. Ich habe nie woanders am Schreibtisch gearbeitet. Deshalb musste ich sehr früh lernen, damit umzugehen, von Zuhause aus zu arbeiten. Es ist unglaublich verlockend, sich ständig etwas zu essen zu machen, wenn man weiß, dass im Zimmer nebenan eine Küche ist. Auch die privaten Sachen muss man ausblenden, sonst kommt man mit der Arbeit gar nicht voran.

Robert: Könntest du dir jetzt vorstellen, auch mal etwas komplett anderes zu machen? Also Freedom an den Nagel hängen und einen normalen Bürojob anfangen?

B: Wenn ich das wirklich wollen würde, hätte ich das wahrscheinlich schon gemacht. Natürlich kann man nicht erwarten, dass das mit Freedom ewig klappt. Vor allem nicht in Deutschland. Man kann ein Team pushen, indem man eine Marke in der Skatewelt platziert. Und wenn man das mit einem ganzen Team machen kann, ist das schon viel wert. Vor allem, wenn man damit auch noch über die Runden kommt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das jetzt die letzten 15 Jahre gut geklappt hat. Es gab die üblichen Hochs und Tiefs, in denen es der Company richtig gut oder aber auch schon mal ganz, ganz schlecht ging. Jetzt haben wir ja ein recht großes Team, womit ich sehr glücklich bin, da das wirklich gut funktioniert. Es gab aber auch mal Zeiten, in denen wir nur zwei Teamfahrer hatten. Natürlich möchte ich die Sache mit Freedom so lange wie möglich machen und damit alt werden. Etwas zu tun, was mich sozusagen leben lässt und woran mein Herz hängt.

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CROOKED GRIND

Martin: Hast du denn selbst  noch genug Zeit zum Skaten?

B: Ja, schon. Es gibt Tage oder Momente, in denen ich Bock hätte zu skaten und es nicht kann. Manche Sachen kann man einfach nicht verschieben. Aber dadurch, dass ich mein Hobby, meine Leidenschaft mit meinem Beruf verbunden habe, ist das nicht so schlimm. Sobald man sich selber etwas aufbaut, bekommt man ein Verantwortungsbewusstsein für die Arbeit. Da findet man sich damit ab, dass das einfach so ist. Aber ich komme auf jeden Fall noch genug zum Skaten und stehe (abgesehen von der Winterzeit) fast täglich auf dem Board. Ich gehe darin immer noch genauso auf wie vor 20 Jahren. Es geht ja um das Geflashtsein. Das ist einfach immer wieder da und noch lange nicht vorbei.

Robert: Stimmt es, du nimmst ja auf Touren auch gerne mal die Kamera in die Hand, oder?

B: Ich filme liebend gerne. Das erste Freedom-Video habe ich neben zwei guten Freunden, Robert Cichon und Simon Budzynski, zum größten Teil selbst gefilmt. Da gab es zwar noch ergänzende Filmer, aber das Meiste habe ich gedreht. Das hat sich aber für das aktuelle Video geändert. Ich filme zwar noch viel, aber ich habe diesmal Leute, wie Dennis Harwardt und Christian Preuschoff, die einen großen Teil übernehmen. Dennis Harwardt muss man da besonders hervorheben. Er hat mich so geflasht mit seinen Filmkünsten, dass er einen Großteil des Videos übernommen hat. Wir filmen ja durchgehend nur mit der VX-1000. Dennis hat mich mit der gemeinsamen Vision, wie ein Video in unseren Augen flasht, sehr entlastet. Die Arbeit mit ihm und Preuschoff ist ein Geschenk. Ich liebe es!

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BS LIPSLIDE

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BS LIPSLIDE

„MAN GUCKT SEIN GANZES LEBEN SCHRÄG MIT DEM KOPF IN EINE RICHTUNG UND FÄLLT AUCH IMMER AUF DIE GLEICHE SEITE“

„MAN GUCKT SEIN GANZES LEBEN SCHRÄG MIT DEM KOPF IN EINE RICHTUNG UND FÄLLT AUCH IMMER AUF DIE GLEICHE SEITE“

Martin: Da wir gerade beim Thema sind, eine gemeine Frage, die sicher oft gestellt wird: Wann kommt das neue Video?

B: Das Video wurde ja schon oft mit „es kommt bald“ und „es kommt näher“ angekündigt (lacht). Aber jetzt ist es tatsächlich so, dass wir mit dem Schnitt angefangen haben. Einige Songs stehen schon fest, eine grobe Auswahl an Clips ist schon getroffen und wer welchen Part bekommt, ist auch schon ziemlich klar. Es hat zumindest schon einmal eine gewisse Ordnung. Wir befinden uns also schon in der Endphase. Ein genaues Release-Datum können wir dennoch nicht festlegen. Das läuft gerade wie beim alten Video. Wir sind einfach viel zu spät dran (lacht). Aber ich denke, wenn man so etwas macht – ein full-length Skate-Video, das wir auch noch auf DVD rausbringen wollen – soll das auch gut werden. Das Format hat ja in der Skateboardwelt und in Deutschland sowieso mittlerweile Seltenheitswert. Ich hab’ schon ein paarmal gesagt: „Die Deadline ist für mich dazu da, um sie zu verschieben.“ Man spürt, das Ende kommt und wird dadurch nur noch mehr gepusht. Ich sehe das auch als versteckte Bedeutung einer Deadline. Wir haben es aber auch wirklich ausgereizt mit dem Verschieben und ich freue mich selbst, dass das Video jetzt dann kommt.

Martin: Wie lange arbeitet ihr denn schon an dem Video?

B: Seit 2009. Vor 12 Jahren kam das erste Freedom-Video raus und dann hatten wir erst einmal Leerlauf, was auch gut war. Wir mussten erst schauen, wie sich das Team entwickelt. Wie funktioniert man zusammen? Wer hat welche Qualitäten? Währenddessen haben wir dann Bock auf ein weiteres Video bekommen. Bei mir kam dann noch eine große Verletzung dazu, die mich zwei Jahre beschäftigt hat. Ich bin im Skatepark bei einem Nollie Backlip an so einem Down-Rail umgeknickt und hab mir alle Außen- und Innenbänder am rechten Fuß gerissen. Dabei ist ein Stück vom Knochen abgesplittert und im Gelenk gelandet. Eine Odyssee bei verschiedenen Ärzten begann und dann wurde ich operiert. Doch es hatte sich nichts verändert. Fünf Monate ging das so, bis ich dann nach der zweiten OP langsam Fortschritte machte. Insgesamt hatte ich 15 Monate am Stück Physiotherapie. Die Ärzte und Therapeuten waren zum Schluss wie Freunde für mich.

Robert: Du bist ja keine 20 mehr. Fühlst du dich auch nach der Verletzung komplett fit? Also körperlich zum Skaten.

B: Ja, also jetzt fühle ich mich wieder fit. Es gab Zeiten, als ich knapp über 30 war (jetzt bin ich ja 38), da habe ich mich unfitter gefühlt als jetzt. Das kommt, wenn‘s um Skaten geht, auch immer darauf an, wie fit man gerade im Kopf ist. Wenn ich ernsthafte Probleme habe, über die ich mir den Kopf zerbreche, dann kann ich nicht so gut skaten. Ich kann dann einfach nicht drauf scheißen und sagen, ich geh jetzt skaten. Mir hängt das dann nach. Da gibt es Leute, die können das, für die ist das ein Ventil. Klar, es gibt Situationen, in denen ich mich dann auch zusammenreiße und einfach machen (skaten) muss, aber genießen kann ich das schon mehr, wenn der Kopf frei ist.

„MAN GEHT AN SEINE GRENZEN UND WEISS, DASS WENN ETWAS SCHIEF LÄUFT, LÄUFT ES RICHTIG SCHIEF.“

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OLLIE

Martin: Wie lang skatest du schon?

B: Ich glaube, das sind mittlerweile 24 Jahre. Von Familienangehörigen zum Beispiel, die mit Skaten nichts am Hut haben, muss ich mir schon ab und zu etwas anhören. Die meinen dann, dass ich auch nicht jünger werde. Vor allem, wenn man sich irgendwelche Rails runterschmeißt. Wenn ich drüber nachdenke, fällt mir aber immer auf, dass ich nach einem Sturz am Handrail die gleichen Schmerzen habe wie mit 23. Da gibt es eigentlich keinen Unterschied. Ich kann da aber auch von Glück reden, dass ich bis jetzt noch keine ernsthaften oder langfristigen Probleme habe, die mich beim Skaten einschränken. Toi, toi, toi!

Robert: Hältst du dich irgendwie anders fit im Vergleich zu früher?

B: Das nicht. Ich bin grundsätzlich schon ein sportlicher Typ. Wenn es für mich Aktivitäten außerhalb des Skateboarding gibt, haben die meistens auch mit Sport zu tun. Ich gehe gerne mit Freunden auf die sogenannte „Freedom Experience“: Klettern oder Ähnliches. Da suchen wir dann gemeinsam das Abenteuer. Außerdem spiele ich Basketball oder fahre auch gerne Fahrrad. Bei mir hat das Meiste mit Bewegung und Sport zu tun. Vielleicht hält mich dieser Ausgleich irgendwie fit. Gezielt trainiere ich aber nicht. Obwohl mein Arzt mal meinte, dass ich doch mal Yoga machen sollte oder so etwas. Wenn man so wie beim Skaten eben hauptsächlich in eine Richtung fährt (bei mir ist es Goofy), ist das schon eine eher einseitige Belastung. Man schaut sein ganzes Leben schräg mit dem Kopf in eine Richtung und fällt auch immer auf die gleiche Seite.

Robert: Skaten ist bei dir ja eine ziemliche Kopfsache. Hast du Rituale für große Spots?

B: Ja, habe ich. Wenn man große Sachen fährt, hat das was mit Angst zu tun. Man geht an seine Grenzen und weiß, wenn etwas schief läuft, läuft es richtig schief. Ich bekomme da immer einen Tunnelblick. Aber darüber bin ich echt froh. Man schottet sich ab und fokussiert seine Konzentration auf das, was man gerade macht. Man stumpft auch ab. Das ist bei mir zumindest so. Ich reagiere dann aber auch sehr empfindlich, wenn etwas Unerwartetes passiert. Rituale geben mir in diesen Momenten Sicherheit und helfen mir abzuschalten. Wenn ich einen Trick haben will und an dem Punkt angekommen bin, an dem ich es mit der Angst zu tun bekomme, dann schlage ich immer in der gleichen Reihenfolge bei Freunden ein. Die darf sich dann auch nicht ändern. Damit gebe ich meinen Freunden sozusagen das Versprechen, jetzt alles zu geben. Wenn ich den Trick anschließend nicht versuche, dann wäre das so, als ob ich die Leute verarschen würde. Ich gehe also ihnen gegenüber eine Verpflichtung ein. Klingt irgendwie kitschig, aber bevor du einen Kumpel verarschst, gibst du einfach Gas.

Martin: Gibt es da noch mehr außer dem Handshake?

B: Eigentlich wissen das bis jetzt nur Teamfahrer. Ich bin nämlich schon gläubig. Nicht im Sinne einer Religion, aber trotzdem gläubig. Ich glaube an irgendetwas Größeres, an Gut und Böse. Beim Anfahren ist das immer das Gleiche: Wenn ich an einen Punkt komme, ab dem es gefährlich wird und ich eigentlich nur noch auf die Hoffnung setzen kann, dann sage ich mir immer „Bitte nicht slamen, lass mich den Trick stehen, bitte nicht slamen!“ Das muss dann auch immer wieder in genau dieser Reihenfolge in meinem Kopf passieren. So versuche ich die Angst unter Kontrolle zu kriegen und zu meinem Vorteil zu nutzen. Denn wenn ich die Angst achte, dann ist sie sowas wie mein Freund und sie hält mich wach und achtsam und hilft mir, einen Trick an Land zu ziehen, ohne unbedingt dabei draufzugehen

Martin: Kommt daher auch der Name des Videos ? Der Titel ist ja Psychedelic Penetration.

B: Wir haben aus der Entwicklung des Videos heraus entschieden, dass es so heißen soll. Dieser Ausdruck stand für mich und die Teamfahrer genau für das, was geschieht, wenn man richtig on-fire ist und im Kopf anfängt, sich etwas zu trauen. Dabei wird ein Punkt erreicht, an dem deine Psyche so krass penetriert wird, dass du dir denkst: Los! Skate or die! Ich mach‘ das jetzt! Simpel, aber ein Moment, der so oft beim Skaten vorkommt. Es gab während der Entstehung des Videos Momente für mich, in denen ich mir dachte, genau das ist Psychedelic Penetration – eine Bestätigung für den Videotitel. Ich habe über die Jahre festgestellt, dass man auf verschiedene Arten skaten kann. Aber in der Art, wie ich skate und viele um mich herum auch, da kommt diese Penetration schon oft vor.